Wann tritt eigentlich Nonsens ein? “Wenn etwas voll danebengeht – aber nicht unelegant”, definieren die Meister desselben, Fritz Gall und Friedl Umschaid.  

Willkommen in der Welt des Sinnlosen, des überraschend Nonsealen, des Verruckt-Genialen: Die Welt der Herrnbaumgartner. Besser gesagt einer kleinen Gruppe von unerschütterlich kreativen Menschen, die hier das Haus der unnützen Erfindungen betreiben: das Nonseum.

Altenheim-fuer-Buntstifte. © Mirko-Plha

Die Parkuhr mit Uhrwerk, die die Ankunftszeit des abgestellten Wagens ständig aktualisiert, erspart Diskussionen mit dem Parksherriff, der halbautomatische Nasenbohrer legitimiert das Nasenbohren in der Öffentlichkeit und die Sitzungsbrille mit aufgeklebten wachen Augen ermöglicht ein Nickerchen während des Meetings.

Aufschnallbarer Bizeps © Mirko Plha

Kurz gesagt: Besucher des Nonseums in Herrnbaumgarten finden Alltagsgegenstände, wie sie praktischer nicht sein könnten. Und doch handelt es sich bei jedem Exponat um Unsinniges, um “nutzlose Erfindungen, die die Welt auch bisher nicht gebraucht hat.” 

Nonseale Kreativität 

Die Erfinder, das sind David Staretz, Fritz Gall, Gottfried Umschaid, Peter Zott und Stefan Slupetzky. Ihre kreative Sternstunde 1983, als sie staunend registrierten, wie eine Kellnerin ein mit Gulasch bekleckertes Tischtuch umdrehte und wieder verwendete, war Startschuss für die nicht abreißende Serie nonsealer Kreativität. Vom sechsseitigen, würfelförmigen Tischtuch ging es weiter über die Nonsens-Erfindermesse zu Events, die an Sinnbefreiung kaum zu überbieten sind. Beim Wein-Wandertag lernen die Teilnehmer, fachkundig über’s Viertel zu weinen, verbringen die Zeit in tiefster Niedergeschlagenheit bei Wein-Proben und wanken mit der weltuntergangserfahrenen Pessimistengemeinde zu Orten unsäglicher Trauer.  

Facebook © Betty Gall

„Dass wir im Weinviertel, dem Ort der halbleeren Weingläser, den Wandertag für Pessimisten veranstalten, liegt auf der Hand“, findet Fritz Gall, Mastermind des „Vereins zur Verwertung von Gedankenüberschüssen“, kurz VVG. “Das Nonseum bin ich. Le Nonseüm, c’est moi”, wird er auf der Webseite zitiert. Kein Wunder, konzipiert und organisiert er doch die legendären Vereinsfeste, heckt als Art-Director das Design des Nonseums aus, jagt nach Altertümlichem, ruckt authentisch Tischerl und Vitrinen ins rechte Licht und leitet und lenkt Geschicke.  

Sockensingelbörse 

Ähnlich dramatisch gestaltet sich der Wandertag „Ehret den Sock“, bei dem vereinsamte Sockensingles ihr tristes Dasein in der Schublade beenden dürfen und Sock‘ für Sock‘ gewürdigt werden. Zur genüsslichen Erstbesteigung des Weinviertler Hügellands haben die Masterminds der Absurditäten ein paar unentbehrliche Tipps. 

Regenschirm für Pessimisten © Shimizu

Etwa: An der Nonseumskassa gibt’s die frisch gedruckte Wanderkarte kostenfrei und – falls vergessen – eine Holzwäscheklammer zur freien Mitnahme. Mit der kann der Single-Sock in einen der Sockenschaugärten gekluppt werden. Und praktisch ist der Nonsens noch dazu. Sollte ein Wanderer ein Restexemplar entdecken, das dem seinen ähnelt, dar er zugreifen. Ein Wanderwieg inklusive Sockensinglebörse, das ist einzigartig. 

Schneeballeffekt 

Die Erfolgsgeschichte des Nonsens setzte sich seit 1983 ungebrochen fort. Auf die erste Nonsens-Erfindermesse folgten etliche verruckte Events, wie das 24-Stunden-Weinbergschneckenrennen. 1991 gründete man den VVG. Der ist eine Ideenbörse für schräge, unausgereifte, unterschätzte, skurrile Gedankengänge. Dort wälzen die Vereinsmitglieder Ideen wie Schneebälle, bis sie lawinenhaft werden oder bis sie wenigstens einen Schneemann damit bauen können. Ein paar Jahre später gelang den Erfindern ein großer Wurf: das Worst-Case-Szenario menschlicher Tierliebe “Bau Tier ein Haus”. “Endlich”, dankten die Besucher angesichts der Slapstick-Inszenierung des Gutgemeinten: Handgestrickte Schlafsackkolonien für Fledermäuse, Reihenhaussiedlungen für Maulwürfe und die Taucherglocke für Suppenfliegen.  

Schaufelschöpfer © Mirko Plha

Was 1998 folgte, war die Tragödie um das Wappentier der Donaumonarche. In diesem denkwürdigen Jahr kam es in den alten Gewölben des Labyrinthkellers zu einem historischen Sensationsfund. Bei Umbauarbeiten wurden zufällig die verscharrten Gebeine des letzten Original K.u.K Doppeladlers freigelegt. 

Der geschichtliche Hintergrund wurde penibel wissenschaftlich erforscht und von den Verruckten offengegelgt: Kaiserin Elisabeth ließ das Wappentier der Donaumonarchie aus Protest gegen den verhassten Habsburger Absolutismus in Herrnbaumgarten kochen und verspeiste ihn im dortigen Gemeindegasthaus. Um einen Skandal zu vermeiden, wurden die Gebeine verscharrt, bis sie Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden. 

Internationaler Nonsens 

Angesichts dieser Skurrilitäten ist es kein Wunder, dass Herrnbaumgarten 2001 zum „verruckten Dorf“ proklamiert wurde. Das Herzstück des Unsinns, das Nonseum , dient als Raum für die überbordende Phantasie. Hier finden auch Lachyoga und Führungen für internationales Publikum statt. „Nonsens funktioniert von Herrnbaumgarten bis New York“, weiß Fritz Gall. Ego-Geld mit dem eigenen Konterfei eignet sich als Zahlungsmittel auf der ganzen Welt ebenso wie der trag- und ausrollbare Zebrastreifen und der Gelsendippel-Schutz, unter dem sich Juckreiz ungestört ausbreiten kann.  

Weißwurst Reiseetui für Bayern © Jiro Shimizu

Die Ideenausbeute des kreativen Wahnsinns-Teams ist unerschöpflich. So konzipiert die Traumfabrik Herrnbaumgarten ein Altersvorsorge-Modell, um Pensionen zu sichern: Örtliche Zimmervermieter warten mit verrucktem Service auf, wie dem schallgedämpften Wecker, der schnarchfreien Zone, der windbetriebenen und dem gespiegelten Ei. Es wird zur Verkostung des Bezirksgerichts aufgerufen, zum Ortstafel-Verrucken, zur Olympiade mit Disziplinen wie Handtuch-Werfen für Politiker und zum Tantendank-Tag am Muttertag. 

Manchmal muss es genial sein 

„Voraussetzung unserer Erfindungen aus der Not heraus ist, dass sie in sich scheitern“, sind sich die Verruckten einig. Und: Sie stehen zu ihrem Schwachsinn: „Das unterscheidet uns wohltuend von der Marktwirtschaft.“ Doch der Anspruch ist hoch, denn gut muss es schon sein, im besten Fall fantastisch: “Schlechtes bleibt schlecht, da kann man es benennen, wie man will. Skurril Unsinniges hingegen kann sich bis zur Genialität erheben, wenn es denn sein muss.”

 

Rauchen für Anfänger © Jiro Shimizu

Wer Nonsens für die Ewigkeit sucht, wird im verruckten Dorf fündig. Hier gibt es Zeitdokumente und Beweismaterial in aufwändiger Katalogform, etwa zur Österreichischen Erfindermesse, zur Dodamauner- und Klangmaschinenausstellung, oder für Bau Tier ein Haus. Und natürlich gibt es auch den jährlich neu aufgelegten Kult-Kalender mit Monaten in alphabetischer Reihenfolge. Weil, wo der Irrsinn regiert, muss Ordnung herrschen. 

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