Leben im Schloss – Alltag zwischen Geschichte, Glanz und Herausforderungen
HAGENBERG/FALLBACH. Es gibt Momente im Leben die alles verändern. Als im Sommer 2019, das steirische Ehepaar Michael und Marion Osmann an einem kinderfreien Wochenende eine Tour durchs Weinviertel machten um Schloss Haggenberg anzusehen ist es passiert.
„Wir waren eher weinviertel-unkundig bis dahin. Ich selbst hatte zwar beruflich im Raum Wolkersdorf zu tun, bin aber nie über diese Gemeinde hinausgekommen und war ziemlich neugierig, wie sich uns das Weinviertel dahinter zeigen würde“, erzählt Michael Osmann.
…und dann standen sie vor einem Schloss, das gleich eines französischen Chateaus in der Normandie, eingebettet in die sanft hügelige Landschaft dieser Region, vor ihnen lag. Nach Durchschreiten Tores war beiden klar, dass sie angekommen sind und genau das gefunden hatten wonach sie suchten. Einen Ort wo man bleiben möchte.

Die aus der Steiermark kommenden Osmanns erwarben kurz vor dem ersten Lockdown Schloss Haggenberg von Horst Wächter, dem ehemaligen Sekretär des Friedensreich Hundertwasser. Und weil das Anwesen groß genug war und der Deal perfekt, blieb Wächter in einem Seitentrakt des Schlosses wohnen.
Das vierflügelige Wasserschloss wurde zum Herzensprojekt des Ehepaares Osmann. Ihr langgehegter Wunsch, ein altes Objekt mit all seinen Eigenheiten zu adaptieren, zu erhalten und damit einen Ort zu schaffen um zu leben, zu arbeiten zu feiern und die Seele baumeln zu lassen, ist in Erfüllung gegangen.
Schon beim Eintreten verliert das festungsgleiche Barockschloss seine Strenge. Erreicht man dann den atriumähnlichen Innenhof, erliegt man unweigerlich dem Charme dieser alten Mauern. Man lässt sich widerstandslos von der mystischen Atmosphäre einhüllen und lauscht erwartungsvoll den Geschichten, Erlebnissen und Zukunftsvisionen der neuen Besitzer.

Michael ist Fachmann für Altbausanierung und versteht es, historische Materialien und traditionelle Handwerkskunst in modernen Kontext zu setzen. Marion Osmann bringt ihre Erfahrungen, großzügige Räumlichkeiten mit Farben, Licht und erlesenem Mobiliar zu inszenieren vom Theater mit. Sie setzt bei der Ausstattung der Räume gezielt Akzente mit ihrer ganz eigenen Fotokunst. Marion gilt nicht nur als bemerkenswerte Fotodesignerin. Lässt man sich von ihr durch einen Rundgang dieser ehrwürdigen Hallen geleiten wird eines klar, dieses 800 Jahre alte Schloss hat auf „SIE“ gewartet.

Schloss Haggenberg wurde nach jahrzehntelangem Stillstand, mit dem Einzug der Steirer zu einem Ort, wo sich Vergangenheit und Gegenwart harmonisch vereinen. Kein mit glatten Wänden und Böden durchrenoviertes Superschloss, sondern ein Platz, an dem die Vergangenheit bewusst, erhalten wurde. Daher trifft man auf so manche schiefe Wand und kleine Unebenheiten bei den Treppen. Man betritt Bodendielen die aus der Hofburg stammen und damit vor der Deponie gerettet wurden und erkennt aufgrund spezieller Wandfarbenmischungen noch die ursprünglichen Strukturen der Wände.
Hier wurde vier Jahre lang geplant, bewegt, angelegt, gespachtelt, gemalt, freigelegt, erhalten, gepflegt und poliert – das vermutlich größte, verwirklichte Upcycling-Projekt des Landes.

Seit Osmanns nach Haggenberg gezogen sind, vollzog sich im Schloss ein Wende. Freilich ist die Zeit heute anders als unter dem Reichsgrafen Theodor von Sinzendorf, der aus Venedig Gondoliere kommen ließ, um seine illustren Gäste über einen Kanal vom Schloss zu dem vom Brandbach aufgestauten See zu bringen. Dort auf einer kleinen Insel war ein Pavillon aus Muranoglas errichtet worden erzählt man sich, der höchstes Entzücken unter den Gästen hervorgerufen haben soll.
Die Venezianer blieben, heirateten, bekamen Kinder und der vermutlich greifbarste Weinviertler mit venezianischem Blut, ist Otto Amon, Hobbygenealoge aus Leidenschaft. Der gebürtige Weinviertler lebt heute in Wien und kann nachweisen, dass er aus der Linie des „Olivio Francesco“ stammt, der im 17. Jahrhundert in Niederösterreich lebte und dessen Beruf Gondoliere war…

Für viele Menschen ist das Leben in einem Schloss ein Kindheitstraum. Es verspricht Stil, Geschichte und ein Gefühl von Noblesse. Tatsächlich aber ist der Alltag in einem alten Schloss oft eine Mischung aus staunenswerter Schönheit und praktischen Herausforderungen. Wer hier lebt, teilt sich sein Zuhause mit der Geschichte.
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