Michael Staribacher, Weinviertler Autor, Musiker und Kellergassen-Profi. © M. Staribacher

“Ich sammle Wörter, die in der Alltagssprache verwendet werden, werfe sie gedanklich in einen großen Topf und destilliere sie.” Der Eichenbrunner Michael Staribacher ist seines Zeichens Wortklauber, Buchautor und Kulturerhalter. Einer der die ideelle und materielle Kultur seiner Heimat, dem Weinviertel nicht nur liebt, sondern lebt.

Kultwörterbuch für Weinviertler:innen und alle anderen. © M. Staribacher
Michael Staribachers Lesungen überraschen, amüsieren und regen zum Nachdenken an. © M. Staribacher
Michael Staribachers Lesungen überraschen, amüsieren und regen zum Nachdenken an. © M. Staribacher


Seine Dialektlexika sind längst Kult. Bescheiden nennt er sein erstes Werk ein „Dialektheftl“ – dabei ist es weit mehr: eine unterhaltsame Reise durch die kulinarische Sprache des Weinviertels. Kein Kochbuch, sondern eine witzige, liebevoll zusammengestellte Erklärung regionaler Menübezeichnungen. Ein Heftl für „Auswärtige“, für die Weinviertler Ausdrücke oft klingen wie Chinesisch – und ebenso für die Weinviertler selbst. Denn eines ist ihr Dialekt sicher nicht: homogen.
Das zeigt sich auch im Buch „Sterzfresser und Gnackwetzer“, in dem Staribacher mit einem Augenzwinkern die Orts-Spitznamen der Region unter die Lupe nimmt. Die stammen meist nicht aus den betroffenen Orten selbst, sondern von deren Nachbarn – die sich oft eines anderen Dialekts bedienen und ihre Umgebung nicht immer ganz liebevoll betrachten. Schon der Titel verrät: Hier wird’s deftig, direkt und typisch Weinviertel.

Michael Staribacher, Weinviertler Autor, Musiker und Kellergassen-Profi. © M. Staribacher
Michael Staribacher, Weinviertler Autor, Musiker und Kellergassen-Profi. © M. Staribacher


Das gesammelte Wissen kulminiert schließlich im „Weinviertler Dialektlexikon“ – ein Werk, in dem Michael Staribacher rund 3.000 Begriffe aus der regionalen Mundart gesammelt, erklärt und übersetzt hat. Ein sprachliches Schatzkisterl für alle, die das Weinviertel nicht nur hören, sondern auch verstehen wollen. Und weil er grundsätzlich oft in Schreiblaune ist, sammelt der 59-Jährige nicht nur Dialektausdrücke, sondern auch Kurzgeschichten. „Die Geduld für einen Roman hat bisher nicht gereicht“, lacht er – und verweist dabei augenzwinkernd auf seine Tante. Sie sei eine treue Leserin, sagt er. Ihre Rückmeldung? „Ich lese nach dem Zubettgehen immer eine Geschichte – und danach schlaf ich so gut ein.“ Ein Kompliment, denn Staribachers „Literaturhäppchen“ sind alles andere als fad: thematisch bunt gemischt, mal regional, mal international, aber stets pointiert. Der rote Faden? Eine überraschende Wendung am Schluss – jedes Mal.

Eine Kriegschronik

Und doch: Das mit der fehlenden Geduld stimmt wohl nicht. Denn Michael Staribacher arbeitet seit geraumer Zeit an einem umfangreichen Werk, das deutlich über Sprachpflege und Erzählfreude hinausgeht: einer Eichenbrunner Kriegschronik.
„300 Seiten habe ich schon“, verrät er, „zu Jahresende 2025 soll das Buch fertig sein.“
 Für dieses Projekt hat er Zeitzeugen befragt – die letzten lebenden Kriegsheimkehrer, wie auch Kinder und Enkel gefallener Soldaten. Er hat in Pfarr- und Ortschroniken recherchiert, Briefe aus der Kriegszeit gelesen, private Dokumente ausgewertet. Eine Art detektivische Spurensuche, zusammengesetzt aus den Fragmenten einer dunklen und oft verschwiegenen Zeit.
„Ich möchte die Jahre zwischen 1935 und 1950 darstellen“, erklärt er. Mit Porträts der Gefallenen, deren Namen auf dem Kriegerdenkmal in Eichenbrunn stehen – über viele von ihnen weiß man kaum etwas. Manche Menschen erzählten offen, andere nur zögerlich – manchmal stößt er auf eine Mauer des Schweigens. „Einige Eichenbrunner waren Opfer, andere Täter – manche vielleicht beides. Ich respektiere, wenn nicht alles erzählt werden kann oder will. Und ich nenne keine Namen, wenn es jemanden oder dessen Familie belasten oder diskreditieren könnte. Das ist meine persönliche Grenze“, sagt Michael Staribacher.

Chronist und Autor: Michael Staribacher. © M. Staribacher
Chronist und Autor: Michael Staribacher. © M. Staribacher


Er ist nicht nur leidenschaftlicher Schreiber, sondern auch bekennende Leseratte. Friedrich Torberg, Joseph Roth, Stefan Zweig und Friedrich Dürenmatt – ihre Literatur ist seine Inspiration. Und zwischendurch liest er Krimis von Mankell und auch sonst Querbeet durch Literatur und Belletristik.

Kellergassen-Profi

Von der Sprache geht’s weiter zum nächsten Kulturgut: den Kellergassen. 2022 hat die UNESCO die Weinviertler Kellergassenkultur zum immateriellen Kulturerbe ernannt und Michael Staribacher ist quasi Kellergassen-Kultur-Profi. Selbst Kellergassenführer, war er bei Agrar Plus viele Jahre mitverantwortlich für die Ausbildung ebendieser, er ist Obmann des Dorferneuerungsvereins und Initiator des Eichenbrunner Kellergassenfests, genannt Kolomani-Kellerfest. Jetzt arbeitet er in der NÖ Dorf- und Stadterneuerung, wo er – eh klar – für den Erhalt der Kellergassen verantwortlich ist. “Wir müssen aufpassen, dass die Nutzung im Sinn des Kulturerbes erhalten bleibt”, erklärt er. Heißt: Weder sollen die Dörfer ohne Rauchfang zu Freiluftmuseen noch zu Zweitwohnsitz-Siedlungen werden. Dass sich der Kellergassen-Alltag in den vergangenen 50 Jahren völlig verändert hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber Ziel ist, die Gassen als kulturelle Treffpunkte zu erhalten. Sei es als Raststation, Radler-Treffpunkt, Festgelände oder natürlich Buschenschank.

Michael Staribacher ist Kellergassenführer und bildet ebensolche auch aus. © M. Staribacher
Michael Staribacher ist Kellergassenführer und bildet ebensolche auch aus. © M. Staribacher


Auch auf das bauliche Ensemble der Kellergasse wirft die Dorf- und Stadterneuerung ein Auge. Gemeinden können Schutzzonen beschließen und sich dann an einem entsprechenden Konzept orientieren. “Das ist kein Denkmalschutz”, stellt Michael Staribacher klar. Stattdessen ist man bemüht, bei Bau oder Renovierungsarbeiten den Charakter der alten Presshäuser zu erhalten. Also kein Alu-Garagentor, kein Eternitdach und keine Terrassentüren.

Unterwegs mit Ehefrau und Tochter. "Reisen erweitert den Horizont", sagt Michael Staribacher. © M. Staribachere
Unterwegs mit Ehefrau und Tochter. „Reisen erweitert den Horizont“, sagt Michael Staribacher. © M. Staribacher

Der Walzerkönig

Hat Michael Staribacher bei all den kreativen Tätigkeiten noch Freizeit? Und wenn ja, was macht er dann? Ja, Freizeit geht sich auch noch aus. Der Eichenbrunner reist gerne: „Reisen erweitert den Horizont, und es ist großartig Kontakte zu knüpfen.” Obendrein spielt er in der örtlichen Blasmusik Tenorhorn und Posaune. Und dazu gelegentlich noch ein paar andere Instrumente.

Das musikalische Talent ist ein Erbstück, das ist ihm von seinen Vorfahren mitgegeben worden, genauer gesagt von seinem Urgroßonkel, dem Walzerkönig. Und da sind wir schon mittendrin in Staribachers nächsten Buch: “Josef Krickl – Der Walzerkönig des Weinviertels”. Der Urgroßonkel wurde 1870 geboren und komponierte 300 Walzer, Polka francaise und Polka Mazurka. Seine Melodien waren so beliebt, dass er zum „Walzerkönig des Weinviertels“ avancierte.

Urgroßonkel Josef Krickl gründete die Capelle Krickl. © M. Staribacher
Urgroßonkel Josef Krickl gründete die Capelle Krickl. © M. Staribacher

Sogar in der Regimentskapelle des Infanterieregimentes Nr. 84 spielte er und später mit seiner „Capelle Krickl“ im Weinviertel und in Südmähren. Tatsächlich prägte er die Zeit der Weinviertler Kirtagsmusik in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Event-Tipps

So und zum Abschluss gibt’s noch die Eichenbrunner Event-Schmankerln. Das Erste hat noch ein bissl Zeit, kann man sich mal im Kalender eintragen:
Am 11. Oktober 2025 lädt Eichenbrunn zum Kolomani-Kellerfest in die Trift-Kellergasse. Mehr als 30 Aussteller – Köstliches, Kunst und Handwerk gibt es dabei. Und so nebenbei wird dadurch die Kellergasse gepflegt, erhalten und aufgewertet.

Das Eichenbrunner Christbaum-Werfen gab es von 2008 bis 2015. “Ich bin über die IKEA-Werbung auf die Idee gekommen und hab mir gedacht, schau ma mal, wie weit wir werfen können.” Mittlerweile gibt’s das amüsante Weihnachtsport-Ereignis in vielen Orten, aber: “Wir waren die ersten”, lächelt Staribacher.

Und für alle Schnellentschlossenen ein Wochenendtipp: Am 12. Und 13. Juli gibt’s ein spezielles Wassersportevent – das Eichenbrunner Sautrogrennen. Da werden insgesamt 90 Teams um den „Großen Preis von Eichenbrunn“ kämpfen. Quasi der Sautrog-Grand Prix.

Foto Titelbild: M. Staribacher

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