Suppe zum Frühstück, Strudel zum Trost – Heidi Strobl im Porträt
Wenn Kochen zum Erzählen wird: Über den Spaß am Experimentieren und die Kunst, aus Zutaten Geschichten zu machen.
Wir starten mit Rindsuppe. Es ist 11 Uhr, als ich in der alten Wetzelsdorfer Volksschule bei Heidi Strobl auftauche und dem Duft in die Küche folge. „Suppe passt immer“, sagt sie und beginnt mit erstaunlicher Präzision kleine Grießnockerl zu formen.
Kochen, Gastgeberin sein – das macht sie schon ihr Leben lang, als Hernalser Wirtshaustochter hat sie das zwischen Küche, Schank und Gastzimmer aufgesaugt. Ihre Weinviertler Bauernvorfahren erweitern es zu ihrem Lebensmotto „Vom Acker zum Kochtopf“.

2001 erschien mit „Der Kürbis“ ihr erstes Buch. Warum ausgerechnet Kürbis? Es begann mit einer Kindheitsliebe. Die kleine Heidi bekam von ihrer Oma, Bäuerin in Wetzelsdorf, jedes Jahr einen „gebrandeten“ Kürbis geschenkt. „Heidi“ war in die Schale der Frucht geritzt, als Kind ihr Heiligtum. „Da wird die unreife Frucht geritzt, die Wunden vernarben und schauen dann so aus, wie mit Salzteig aufgeklebt.“ Später, als Geschäftsführerin der Niederösterreichischen Wirtshauskultur, griff sie diese Kindheitserinnerung wieder auf und bot ihre personalisierten Kürbisse als Marketingidee an. „In einer Saison hab ich 3000 Kürbisse geritzt.“
Eine Idee von vielen, die Strobl im Laufe ihres Lebens umgesetzt hat. „Mein Weg hat sich immer daraus ergeben, womit ich mich gerade beschäftigt habe.“ Und das waren halt immer Themen rund ums Essen – im weitesten Sinn.

20 Jahre schrieb sie für die „freizeit“, dem Samstags-Magazin des “Kurier“, die kulinarischen Seiten. Unter anderem kochte sie in diesem Rahmen mit 300 prominenten Gästen und präsentierte ihre Begegnungen und Rezepte. „Ob Resetarits, Lohner, Menasse oder Obonya, beim Zwiebelschneiden sind wir alle gleich.“ Strobl würzte die Kulinarik-Seiten auch mit Formaten wie „Dinner for one“ – schnelle Rezepte für eine Person und „Lilli kocht“ – Rezepte, die Kinder selbständig meistern können. Und natürlich mit Weintipps. Hinter all dem steckt Ernsthaftigkeit und Ausdauer. „52 Wochen im Jahr, 20 Jahre lang. Ich habe noch keine Woche ausgelassen.“

Darüber hinaus ist Heidi Strobl Autorin mehrerer Kochbücher – unter anderem von „Lilli kocht“ und „Lilli bäckt“. Für ersteres erhielt sie sogar den Preis „Prix Prato“ für das beste Kinderkochbuch des Jahres.
Und sonst? Strobl lädt regelmäßig zur „Offenen Kochbuchbibliothek“ in den alten Schüttkasten ihres Presshaueses in Wetzelsdorf ein. 1000 Bücher stehen dort in den Regalen. Der Raum mit der wunderbaren Atmosphäre dient auch als Bühne für Veranstaltungen wie etwa Buchpräsentationen – am 4. Oktober zum Beispiel ist Johanna Ruzicka mit “Wanderbares Weinviertel” zu Gast. Auch das „Erzählcafé“ hat dort Station gemacht. Die Idee stammt von Michi Ferner, die selbiges nach Poysdorf holte: ein Generationenaustausch, zu dem in allen Katastralgemeinden Treffen stattfinden. Erzählt wird über Gott und die Welt.

Heidi Strobl hat aber noch mehr Veranstaltungs-Asse im Ärmel. Im Sommer eröffnete sie ihre erste Buschenschank im Garten der Alten Schule von Wetzelsdorf. „Das war ein voller Erfolg, ich bin sehr dankbar, dass das so gut gelaufen ist.“ Am Menü standen unter anderem eine „Schuljause“ und ein „Nachbarschaftsteller“, für den sie mit Olmützer Quargel und Znaimer Gurkerl einen Blick über die Grenze geworfen hat. „Mikulov ist nur einen Katzensprung entfernt, aber die Grenze ist noch immer in unseren Köpfen.“ Statt Getränkekarten beschriftete sie kleine Schiefertafeln, wie in alten Klassenzimmern. Der nächste Termin steht im Juli 2026 am Programm. Regenwetter Location: der alte Schüttkasten.

Eigene Weine? Stimmt. Winzerin ist sie auch – irgendwie. Sie bewirtschaftet einen kleinen Weingarten in Wetzelsdorf. Aber noch etwas: Als Aufsichtsratsmitglied der ersten Weinviertler Winzer-AG, dem Weingut Dürnberg in Falkenstein, bestimmt sie die Geschicke eines interessanten landwirtschaftlichen Erfolgsmodells mit.


Die Grießnockerlsuppe ist längst verputzt, wir lustwandeln durch den Garten der Josephinischen Trivialschule. Das Gebäude aus 1780 erwarben ihre Vorfahren 1880, als die neue Schule gebaut wurde. Es war dann lange vermietet, die Bewohner hatten eine bestimmte Anzahl an Weinstöcken zu bewirtschaften, anstelle Miete zu bezahlen. Heidi Strobl bewohnt die alte Schule heute selbst und nutzt sie als Betriebsstätte. Der ehemalige Klassenraum ist Küche und Esszimmer, im einstigen Schlafzimmer des Lehrers steht ihr Bett.

Der Garten ist gepflegt – auf die wilde Weise. Ein uralter Birnenbaum, etliche Obstsorten, ein Szechuan-Pfefferbaum, ein Maulbeerbaum und jede Menge Kräuter dürfen sich dort nach Lust und Laune ausbreiten. Ebenso ihre paar Hühner. Sie leben, solange es eben geht, auch wenn manche schon lange keine Eier mehr legen. „Unsere älteste Henne ist wohl an die zehn Jahre.“ Haustiere mit Charakter eben. Zum Hahn Fiepser hatte Heidi Strobl eine besonders enge Beziehung: „Der ist in meiner Hand geschlüpft, war so zahm, dass er mich überallhin begleitet hat.“ Sogar im Auto saß er neben ihr.
Derzeit besucht sie auch einen Agro-Forst-Lehrgang vom Ländlichen Fortbildungsinstitut (LFI). „Ich möchte meine Äcker enkeltauglich machen. Dafür brauche ich Fachwissen.“ Mehrnutzenhecken, Streuobstwiesen und Versuchsgärten. Auf ihrer ehemaligen Sumpfwiese hat sie ein Wiedervernässungsprojekt initiiert, das beitragen soll, Wasser in der Region zu halten. Und: ihr bunter Popcornmais, den sie am Kolben verkauft, um Kindern zu zeigen, was Popcorn eigentlich ist. Früher hatte sie auf ihren Reisen um die Welt Maissorten gesammelt – jedes Land, das sie anflog, brachte neue Samen für ihre Sammlung, die sie Jahr für Jahr auffrischt indem sie es aussäht.

Wir sitzen mittlerweile bei Strobl-Traubensaft und Mohnkuchen. Doch wenn ich glaube, Heidi Strobl hätte mir schon alles zu ihrem beruflichen Werdegang erzählt, irre ich gewaltig. Da kommt noch einiges. Eine Zeitlang betrieb sie in Wien Catering – wie so vieles in ihrem Leben durch Zufall entstanden. Ein Bekannter fragte sie, ob sie ein Premieren-Buffet machen könne. Sie konnte. Und weil sie keine halben Sachen mag, gestaltete sie die Buffets thematisch passend zu den Aufführungen. Schwarz-Rot für “Othello”, zum Beispiel. Bald belieferte sie die Staatsoper, das Burgtheater und das Künstlerhaus. „Ich will die Bilder in meinem Kopf in die Realität umsetzen“, erklärt sie.
Und wenn wir schon bei der Kunst sind: Im Innenhof des Wiener Museumsquartiers verwandelte sie drei Tonnen Kürbis in ein Kürbisfeld. Das durfte die Besucher einen Tag lang verblüffen, am zweiten Tag wurde es freigegeben zum Mitnehmen. Von oben gefilmt entstand daraus ein Teil einer ORF-Universum-Doku über den Kürbis, für die sie mit Interspot den idealen Partner gefunden hatte. „Binnen einer Stunde waren alle Hokkaidos weg. Die Leute hatten eine riesige Freude, und die Fotos, die entstanden sind, sprechen eine wunderbare Bildsprache.“
Reden wir doch übers Essen!
Auch die Veranstaltungsreihe „Übers Essen reden“ im Rahmen des Weinviertelfestivals 2022 im Nachtwächterhaus Poysdorf trägt ihre Handschrift. Besucher konnten dort, umgeben von ihren tausend Kochbüchern, plaudern, diskutieren und sich inspirieren lassen. „Verschwunden ist übrigens keines meiner Bücher – im Gegenteil, sie haben sich vermehrt.“
„Gibt es eine Speise, die Sie zu trösten vermag“, fragte Heidi Strobl Woche für Woche ihre Gäste, und sie fragt auch mich. Ich muss nicht lange überlegen: der gezogene Apfelstrudel meiner Oma, der beste Strudel der Welt. Da erinnert sich die Kulinarik-Journalistin an Willi Resetarits: „Er hatte so schöne Hände! Und ich habe selten jemanden gesehen, der so achtsam beim Kochen war, wie er.“ Die beiden haben damals Stinatzer Erdäpfelstrudel rekonstruiert.
Das Gespräch zieht sich längst über Stunden. Ich gebe es zu: Es ist eigentlich kein Interview, sondern ein entspanntes und spannendes Plauscherl im Garten. Kein Wunder – Heidi Strobl scheint über einen unerschöpflichen Vorrat an Ideen und Projekten rund ums Essen zu verfügen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Wer neugierig geworden ist, kann auf ihre Webseite gehen:www.heidi-strobl.at. Auch die anstehenden Termine sind da zu finden. Ich schau jetzt auch hinein, klicke mich durch die Promi-Liste ihrer Serie “Delikatessen” und koche ein Rezept nach. Vielleicht backe ich den Erdäpfelstrudel.
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