Topothekarin vor den Vorhang
Damit das mit dem „Z’ruckschaun“ in die Vergangenheit des Heimatortes auch so richtig gut funktioniert, braucht es Historiker, Autoren, die mit akribischer Genauigkeit Ortschroniken verfassen uuund Topothekarinnen und Topothekare. Sie sammeln Fotos – vorwiegend von früher. Bilddarstellungen alter Straßenzüge, ehemaligen Gewerbebetrieben, vom Leben im Dorf ganz allgemein und schaffen damit einen bildlich dargestellten Überblick über die Wohngemeinde von anno dazumal.
Topothekarin aus Leidenschaft
Orth an der Donau/Bezirk Gänserndorf. Ich bin in Orth an der Donau, wo ich ein Treffen mit Ilse Windisch habe. Ihres Zeichens Topothekarin aus Leidenschaft.
Mit Frau Windisch kann man über alles plaudern, unser Draht zueinander ist sofort hergestellt. Das beiderseitige Interesse an ihrer Arbeit mit den alten Fotos und den tollen Geschichten darüber, ist fühlbar. Und gleich mal vorweg, jemand, der eine Topothek pflegt, verweigert weder das Neue noch klammert er sich an die Vergangenheit, sondern ist einfach daran interessiert, Altes nicht sterben zu lassen. Das sind ehrenamtliche Unterstützer, welche die Geschichten, Dokumente und Fotos von früher in einem Onlineportal, das von der Gemeinde gestützt wird, archivieren.
Und die Ergebnisse lassen sich sehen! Selbst Scans vom Dia, denen ein letzter Überarbeitungsschliff verpasst wurde, finden neben alten Rechnungen, Schulfotos und Festschriften Platz in der Orther Topothek.


Bei Kaffee und Kuchen bekomme ich Einblick in die Arbeit der Topothekarin. „In erster Linie stöbern wir in unseren eigenen Fotoarchiven, fragen Nachbarn, versuchen an Verlassenschaften ranzukommen, reden mit Freunden. In ganz kurzer Zeit haben sich immer mehr Leute gefunden, die ihre Foto-Schätze vorbeigebracht haben“, freut sich Ilse Windisch über das rege Interesse.
In einer Topothek werden Details über eine Zeit preisgegeben, wo Internet, E-Auto, Digitalkamera und Handy ein Fremdwort waren. Und dennoch wurde fotografiert! Immer schon! Das älteste Foto, das ich je in einer Topothek gefunden habe, stammt aus dem Jahr 1849. Die Fotografie selbst entwickelte sich 1829, aber ich schweife ab…
Man bekommt beim Stöbern in der Topothek von Orth trotz aller historischen Fakten, einen fast schon romantischen Eindruck darüber, was bereits damals, ohne Handykamera, an klassischen, aber auch skurrilen Bilddokumenten entstanden ist. Mein Fotografinnenherz hüpft bei diesen Kostbarkeiten, sie nur anzusehen, bereitet mir schon Freude. Ebenso interessant sind die Geschichten zu den Fotos, welche die Überbringer erzählen und von Frau Windisch archiviert werden. Viele Storys sind bekannt, manche gar nicht, dennoch ist jedes einzelne Bilddokument faszinierend.
Die Arbeit einer Topothekarin
„Ich sammle die Fotos zusammen, scanne sie auf der Gemeinde ein und übertrage sie dann in die Topothek. Die Bilder werden mit bekannten Eckdaten und kleinen Begebenheiten beschriftet, mit einer Verortung versehen und in weitere Folge dann in der Topothek veröffentlicht“, erklärt Ilse Windisch ihre Arbeit, als Topothekarin.

„Das dauert mitunter Stunden, denn viel zu oft falle ich selbst rein in ein Foto, mache mich quasi auf Entdeckungsreise, blättere in der Ortschronik, führe Telefonate darüber, lasse vergangenes Revue passieren, ohne zu den ewig-gestrigen zu gehören. Ich freue mich einfach über all die schönen und interessanten Erinnerungen, die wieder Gestalt annehmen“, sagt Frau Windisch.
So gab es in den 1950ern noch wirklich kalte Winter, wo die aufgestaute Faden (…ja „die“ Faden…) zum Eislaufvergnügen einlud. Dort wurde auch so manches Eisstockschießen ausgetragen. Heute ist die Faden nahezu ausgetrocknet und einzig der Schilfbewuchs erinnert noch daran.
Oder eine Aufnahme von 1908, die Ratschenbuben vor der Mariensäule zeigt. Ein Foto mit neun Buben, von denen tatsächlich sieben den Blick in die Kamera riskierten. Diese Bilddokumente sind Raritäten. Es lohnt sich also tatsächlich, sich in den Tiefen einer Topothek zu verlieren, einfach um nicht zu vergessen, was war, einfach weil’s wichtig ist. Und noch wichtiger ist die Arbeit von Ilse Windisch und ihren Kollegen, denn ohne diese wichtige, ehrenamtliche Arbeit würden diese wunderbaren Erinnerungen irgendwann verschwinden.

Topothek Orth an der Donau
Die Topothek Orth an der Donau befindet sich im Gemeindebesitz, die Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Von uns gezeigte Fotos sind im privaten Besitz von Frau Windisch und wurden uns ausschließlich für diesen Artikel überlassen.
Alle Topothekare, Ilse Windisch, Wilhelm Bressler, Hedwig Rathmayer und Andreas Kriegl, Karlheinz Lange und Sonja Schmid sind ehrenamtlich tätig. Wenn Sie noch irgendwo alte Fotos haben sollten, bringen Sie diese Frau Windisch, werfen Sie die Bilder keinesfalls weg. Frau Windisch wird die Fotografien scannen und wieder an sie zurückgeben.
Helfen Sie mit, die Orther Topothek weiter mit alten, schönen und auch interessanten Erinnerungen zu befüllen.
Und hier geht es zur Topothek: https://orth.topothek.at/
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