Der Brückenbauer. Foto: Region Marchfeld

Der Weinviertler Brückenbauer

Was einst das Randgebiet Europas war, ist heute seine Mitte: Das Weinviertel hat mit der EU-Erweiterung seine geografische wie mentale Position neu gefunden. Aus dem Land an der Grenze wurde eine offene Region im Herzen Europas und damit hat sich auch der Blick der Weinviertler und Weinviertlerinnen verändert – selbstbewusst nach innen, neugierig nach außen. 30 Jahre EU-Mitgliedschaft, 30 Jahre Regionalentwicklung – und mittendrin: Hermann Hansy. Ein Porträt über einen, der Europa ins Weinviertel brachte – und das Weinviertel nach Europa.“

Die großen EU-Regionalprogramme LEADER und Interreg bringen frischen Schwung ins Weinviertel.
Foto: LEADER Region Weinviertel
Die großen EU-Regionalprogramme LEADER und Interreg bringen frischen Schwung ins Weinviertel.
Foto: LEADER Region Weinviertel

Es gab eine Zeit, als der Nordosten Österreichs so etwas wie ein vergessener Raum mit Retro-Charme in der Warteschleife war. Es war die Zeit zwischen dem Fall des Eisernen Vorhangs und des EU-Beitritts Österreichs, als die Menschen nach langer Zeit erstmals wieder Richtung Osten blickten – ohne Plan, was ihnen die Neuordnung Europas bringen würden.

Visionär

Doch manche sahen beharrlich-optimistisch in die Zukunft des Grenzlands, das jahrzehntelang am Eisernen Vorhang, am toten Ende Westeuropas sein eigensinniges, beschauliches Dasein geführt hatte. Und mehr noch: Sie erkannten die Chancen, ergriffen sie und setzten Visionen in die Tat um. Hermann Hansy ist einer von ihnen. 25 Jahre war er als Regionalmanager Strippenzieher, wenn es um grenzüberschreitende Projekte ging. 1993, als der EU-Betritt von Österreich in die heiße Phase ging, bezog er sein Büro in Zistersdorf. “Eigentlich war es nur ein Schreibtisch im Rathaus, und dazu hab’ ich einen Bleistift bekommen – mit der Aufforderung: Fang mal an”, blickt Hansy lächelnd zurück. Er nahm tatsächlich den Bleistift in die Hand und begann, die Karte des Weinviertels neu zu zeichnen. Schließlich musste es fit für die Förderprogramme der EU-Regionalpolitik gemacht werden.

Starke Achse in der Entwicklung für das Weinviertel. Prof. Friedrich Zibuschka, Präsident Karl Wilfing, Hofrätin Ilse Wollansky,Regionalmanager Hermann Hansy. © H. Hansy
Starke Achse in der Entwicklung für das Weinviertel. Prof. Friedrich Zibuschka, Präsident Karl Wilfing, Hofrätin Ilse Wollansky,Regionalmanager Hermann Hansy. © H. Hansy

Raus aus der Isolation

Gemeinsam mit den Regionsvertretern im Verband Europaregion Weinviertel legte man mit den Gemeinden die Kleinregionen fest und definierte vier LEADER-Regionen, die nicht nur geografisch, sondern auch in Bezug auf ihre Themen eine Einheit bilden. Ziel war, das Weinviertel aus seiner Isolation herauszuholen – und das nicht nur auf der Landkarte. Zu kämpfen hatte Hansy sowohl mit den Zweifeln der Bevölkerung als auch mit der Skepsis von Behörden und Fördereinrichtungen, hatte doch das Weinviertel nicht gerade den Ruf, fruchtbarer Boden für Projektinvestitionen zu sein.

Letztendlich entstand aus vielen Diskussionen ein Aktionsprogramm für den ländlichen Raum, zuerst in den sogenannten 5b-EU-Fördergebieten. Innovationen, die eigenständige Entwicklung und auch der Mut, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, entwickelten sich nach und nach: das Kellergassenförderprogramm, der Aufbau der Weinstraßen, der bäuerliche Gästering mit Urlaub beim Winzer und vieles mehr. “Es galt, die Zweifel zu überwinden, viele waren überzeugt: Das hamma eh schon probiert, das wird nix,” sagt Hansy.

Rad und Bahn am Iron Curtain. Elektrifizierung der Bahnstrecke Retz -Znojmo. @ Regionalmanagement NÖ.jpg
Rad und Bahn am Iron Curtain. Elektrifizierung der Bahnstrecke Retz -Znojmo. @ Regionalmanagement NÖ

Nach und nach entwickelten sich neue Ideen und das Interesse an grenzüberschreitenden Projekten. Immerhin standen dem Weinviertel plötzlich EU-Fördermittel in ungeahntem Ausmaß zur Verfügung. „Ich bin damals mit einem Bürgermeister aus dem nördlichen Weinviertel nach St. Pölten gefahren, um ihn beim Förderansuchen zu begleiten“, erzählt Hermann Hansy. „Das Gespräch war kurz, die Zusage für 70 Prozent an Interreg-Förderung kam prompt. Der Bürgermeister war baff – so etwas hatte er schlicht nicht erwartet.“ Für Hansy war das ein Schlüsselmoment: ein spürbarer Wind der Veränderung in der Grenzregion. 

EU-Stockerlplatz 

In seinem Job, nämlich auszuloten, EU-Fördermittel am sinnvollsten und  effizientesten abzuholen, war der Regionalmanager so erfolgreich, dass zu seinem Abschied aus dem Regionalmanagement das Weinviertel, bis dato Fördermittel-Schlusslicht, sowohl bei der EU-Wirtschaftsförderung als auch bei jener der ländlichen Entwicklung Platz zwei in Niederösterreich einnahm. Für dieses Ergebnis war nicht nur Hartnäckigkeit, sondern auch Weitblick vonnöten. 

Grenzen waren für Hansy stets Einladung statt Einschränkung: “Mir war immer der Blick aufs Umfeld wichtig, sah das Weinviertel als Partner mittendrin im Städtedreieck Wien-Brünn-Bratislava, da wollte ich andocken. Das Ziel war und ist ja nach wie vor das Zusammenwachsen der Regionen.“

europaweite Auszeichnung 1996 geschützte geographische Angabe für den Marchfeldspargel g.g.A. © NÖLK.jpg
Europaweite Auszeichnung 1996 geschützte geographische Angabe für den Marchfeldspargel g.g.A. © NÖLK

Für „centrope” (central europe), 2004 gegründet, brachte er sich im Auftrag des Landes NÖ als Koordinator und oft auch als Motor der Zusammenarbeit und des Dialogs der Regionen ein, die sich zuvor bestenfalls vom Autobahnschild kannten. Ein Engagement, das dem „Mister Weinviertel“ auch den inoffiziellen Titel „Mister Centrope“ einbrachte. 

Ein besonderer, auch europaweit beachtenswerter Clou gelang mit der Etablierung des BAUM-Büros (Bratislava Umland Management), eine Initiative, die darauf abzielt, die Zusammenarbeit zwischen der slowakischen Hauptstadt Bratislava, und den angrenzenden Gemeinden und Bezirken in Niederösterreich und dem Burgenland zu stärken. BAUM erhielt die renommierte Auszeichnung „Sail of Papenburg“ der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG). Dieser Preis würdigt herausragende Projekte, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa fördern. 

Als Output aus der NÖ Landesausstellung 2022 sollen über das BAUM-Zentrum Marchegg künftig regionale Themen wie etwa Kultur- und Naturtourismus, die Marchfeldschlösser und internationaler Radtourismus eingebracht werden. 

Übrigens: Weil für Hermann Hansy, Weitblick nicht nur eine Frage des Horizonts, sondern auch der Haltung ist, kam sein Werdegang über einen kleinen Umweg nach Irland: “Ich bin kreuz und quer über die Insel getrampt und zufällig mit einem Pfarrer ins Gespräch gekommen, der hat mir vom Regionalpark “Lake District” bei Liverpool erzählt, bei dem sein Bruder als Manager arbeitete. Das war die Initialzündung und ich begann mein Studium.” 

Über die Grenzen schauen. ORF-Doku mit Hermann Hansy © ORF
Über die Grenzen schauen. ORF-Doku mit Hermann Hansy © ORF

Kurzbio Dipl. Ing. Hermann Hansy 

  • Geboren 1954 
  • 1993 bis 2015 Weinviertel Regionalmanager, bis 2019 Europa-Koordinator in der NÖ Regional Gmbh
  • 1996 Regionalverband Europaregion Weinviertel als Plattform der Abgeordneten, Sozialpartner und Gemeinden 
  • 1997 Gründung der EUREGIO Weinviertel-Südmähren-Westslowakei 
  • 1998 Start des 1. NÖ Kleinprojektefonds für grenzüberschreitende Projekte 
  • 2012 – 2017 NÖ-Koordinator in CENTROPE – ein Zusammenschluss von 16 Regionen und Städten in Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn 
  • 2017 Etablierung des gemeinsamen BAUM-Büros (Bratislava Umland Management) in Bratislava 
  • 2019- 2023 Konsulent der Region Marchfeld für grenzüberschreitende Projekte 
  • Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, Lektor an der Donau-Universität Krems, Vorstandsmitglied der Österreichisch-Slowakischen Gesellschaft 
  • Auszeichnungen 
  • Großes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Niederösterreich 
  • „Europäer des Monats“ von Europe Direct 
  • Goldene Ehrennadel des Niederösterreichischen Gemeindebund

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Mit dem KPF-Klein ProjekteFonds wird der EiserneVorhang zum Begegnungsraum für jung und alt © Waxmann

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